Buell RSS 1200 in der SZ

Die gestrippte Harley-Davidson

Wer zu den 20 deutschen Besitzern gehören will, muß knapp 35 000 Mark investieren

Ein Harley-Davidson-Motorrad, so lehrt uns die Geschichte seit großväterlicher Zeit, besteht überwiegend aus jenem berühmt-berüchtigten Saurier von Motor, der mit selbstgefälliger Ignoranz jeglichen technischen Fortschritt der Moderne ablehnt - und eine völlig eigenständige Biker-Kultur schuf. Einmalig auch, wie sich Anhänger und Gegner des amerikanischen Kolosses in zwei völlig konträre Lager spalten: Eine Harley liebt man, oder man haßt sie.

Der mächtige V2-Motor gleiche einem Eisenhaufen auf Rädern, spötteln die biegsamen Anhänger japanischer Tiefflieger. Nur Harley-Fahren adle die Fortbewegung unter freiem Himmel zu einem Akt sinnlich erlebbarer Befreiung von Alltagszwängen, philosophieren Harley- Infizierte. Spötter und verklärte Anhänger aber eint die Gewißheit, daß das motorisierte Urgestein aus Milwaukee/ Wisconsin nur als Fossil überleben wird, wenn überhaupt. Beide Lager müssen nun umdenken.

Als Werksingenieur diente er der Harley-Philosophie über viele Jahre, fuhr aber nebenbei mit aufwendig zu Renn- Harleys auf- oder sollte man besser sagen abgerüsteten V2-Maschinen Meistertitel ein - unter anderem den amerikanischen Geschwindigkeitsrekord in der Fuel Class, der seitdem bei 307 km/h liegt. 1987 verließ er Harley-Davidson und gründete seine eigene Firma. Und da ihm klar war, daß er mit der Herstellung einzelner Rennmaschinen nicht lange überleben würde, verlegte er sich auf das Züchten von sportlichen Harleys für den öffentlichen Straßenverkehr, wobei ihm das Mutterwerk mit der Lieferung von Basisfahrzeugen den Neuanfang erst ermöglichte. Befreit von Erwartungen der Easy-Rider- Generation, strippt er seither die bekannten Harley Sportster-Modelle XLH bis auf das 1200-ccm-V2-Triebwerk, schweißt rennbewährte, steife Gitterrohrrahmen aus Chrom-Molyddän-Stahl drumherum und verkleidet das Cockpit mit einer rundlichen Schale. Die recht steil stehende Telegabel des niederländischen Spezialisten White Power ist in Druck- und Zugstufe verstellbar, ebenfalls das hintere Zentralfederbein.

Vollgetankt wiegt die in diesem Jahr erstmals auch in Deutschland verfügbare einsitzige Buell RSS 1200 nur 198 Kilogramm. Sie wird von zwei Solo-Bremsscheiben verzögert, vorn mit Sechskolben-Bremszange, hinten mit Zweikolben- Zange. Imposant dreht die vordere, 320 Millimeter große Gußscheibe (hinten 230 Millimeter) über drei Doppelspeichen aus Leichtmetall.

Nie gekannte Leichtfüßigkeit

Herzstück der Buell bleibt natürlich das Triebwerk, das seine Harley-Charakteristik nicht leugnet. Knapp über Leerlaufdrehzahl legt es gewaltig zu, erreicht bei 3000 Touren sein Drehmomentmaximum von 92 Nm und läßt erst knapp unter 6000 Touren merklich nach. Harley- typisch kann man sich schon vom Stand weg rasch durch das Fünfgang-Klauengetriebe schalten und das Tempo im Überlandverkehr ausschließlich mit der Gashand bestimmen. Daß die Buell RSS 1200 beim Ausdrehen der Gänge wesentlich flotter geht, versteht sich von selbst. In 5,5 Sekunden kann sie aus dem Stand auf 100 km/h sein, und erst bei 185 km/h nimmt der Zauber ein Ende. Wer berücksichtigt, daß die deutsche Version nur 43 kW (59 PS) bei 5200/min leistet, muß dieser Harley nie gekannte Leichtfüßigkeit attestieren.

Die Bauart des luftgekühlten Vierzylinders indes offeriert abgesehen von vier untenliegenden Nockenwellen, hydraulischem Ventilspielausgleich und einer kontaktlosen Zündung nur wenig Zugeständnisse an das, was gemeinhin unter technischem Fortschritt verstanden wird. So beschallt auch der Buell-Motor in bekannter Harley-Manier mit Zischen und Stampfen dieDorfstraßen und Promenaden, um erst jenseits von 4000 Touren an Heftigkeit zu verlieren. Dann dampft die RSS 1200 spurtreu dahin und wirkt auf den Fahrer eher beruhigend als anstachelnd.

Ein Vergleich mit japanischen oder italienischen Super-Bikes drängt sich niemals auf. Die Buell RSS 1200 bewahrt jene Eigenständigkeit, die ihr durch die Charakteristik des Harley-Triebwerks mitgegeben wurde. Abgesehen davon sind 34 980 Mark einschließlich Frachtkosten konkurrenzlos elitär. Wer zu den 20 Auserlesenen gehören möchte, die die ungewöhnliche Sport-Harley fahren dürfen, kann sich an den einzigen deutschen Importeur, den Harley-Händler 'Number 1 Bikes' in Frankfurt/Main wenden.

Von Jürgen Zöllter, erschienen in der Süddeutschen Zeitung 13.1.1993