Buell in der V-Twin von 1992


The Buell Story

The Buell Story

V-Twin Juli/August 1992

Schon seit Langem bin ich ein Liebhaber der Buell. Sie ist sowohl ein ausgezeichnetes Motorrad, als auch das geniale Konzept eines Mannes, das von der amerikanischen Motorradindustrie und mit amerikanischen Komponenten gebaut, und von amerikanischen Arbeitern zusammengestzt wird. Das soll nicht heißen, dass Erik Buell antijapanisch oder antieuropäisch oder "anti-irgendwas" ist. Die Marktführung in Sachen Sportmaschinen ist seit geraumer Zeit in den Händen der europäischen, wie Ducati, oder der vier großen japarischen Hersteller. Aber Mr. Buell sah keinen Grund, warum ein Sportler nicht auch mit amerikanischem KnowHow und amerikanischem Material konstruiert werden kann.

Die Laufbahn dieses Fahrzeugdesigners ist lang und eindrucksvoll. Als Designer und Konstrukteur seiner eigenen Rennmaschinen während seiner Zeit als Ingenieur bei Harley-Davidson ist er für viele bahnbrechende Projekte verantwortlich. Darunter befand sich übrigens das wassergekühlte Stillborn V4 Aggregat, das von den Puristen allerdings verschmäht wurde, da sie das traditionelle H-D "Street Cruiser" Format bevorzugten. Und so wurden Erik Buells Talente zum Bau einer wahren "Sportster' leider nicht genutzt. Buells bekanntestes Design im Auftrage der Motor Company ist wohl die FXRT Sport Glide, eine Maschine, die als das technisch ausgereifteste "Motorrad" der gesamten Harley-Davidson Palette angesehen wird. Ich betone die Terminologie "Motorrad", weil die FXRT wohl die einzige Harley ist, bei der ein direkter Vergleich mit Produkten anderer Motorradhersteller möglich ist. Andere Maschinen aus dem H-D Angebot, wie die Softail Heritage, sind in Stil und Klasse natürlich einzigartig, und darf man dem Werberummel Glauben schenken, sogar die Verkörperung eines exklusiven, zweirädrigen Modus Vivendi. Wie auch immer man es nennen will, außer der Honda Gold Wing, die sich eine eigene Marktnische geschaffen hat, gibt es zahllose Versuche anderer Hersteller, sich mit "Factory Customs" an das Harley-Davidson-Image anzuhängen. Und es spielt keine Rolle, ob sie gut oder dem Vorbild aus Milwaukee gar technisch überlegen sind; sie werden immer "die Harley des armen Mannes" bleiben. Ihr wißt das, die Käufer dieser Maschinen wissen das, und Harley-Davidson weiß es. Die Herrschaften in Milwaukee werden mir sicherlich nicht zustimmen, aber der Großteil ihrer Maschinen, wie die Heritage Softail, wurden nach dem "Form vor Funktionalität"-Prinzip gebaut. Die FRXT kann jedoch bedenkenlos gegen jeden anderen Tourer in ihrer Klasse antreten.



Doch kommen wir zurück zu den Buell Motorräder. Mit der Absicht, eine leere Ecke im Motoradmarkt zu füllen, gründete Erik Buell im Jahre 1987 die Buell Motor Company Inc. Mit einem Output von 200 Maschinen pro Jahr wird er den großen Herstellern sicher keine schlaflosen Nächte bereiten, aber das war auch nie seine Absicht. Wenn's gut genug ist, werden Amerikaner auch ein amerikanisches Produkt kaufen anstelle eines ausländischen - so zumindest lautet seine Theorie. Harley-Davidson verkauft heutzutage "Cruisers" und Tourer, möchte man allerdings eine Sportmaschine, kauft man eine Japanerin oder eine Europäerin. Buell bietet eine aufregende Alternative an ein wahrer Sportler, in dem wahrscheinlich weniger eingekaufte orientalische Komponenten stecken, als in einer neuen Harley. Und es sind nicht nur die Amerikaner, die eine amerikanische Maschine wollen 25 % der Produktion aus Mukwonago wurden in '91 bereits nach Japan importiert für '92 wird mindestens mit der gleichen Menge gerechnet. Addieren wir die 20% hinzu, die jährlich nach Europa verschifft werden, läßt sich erkennen, dass die Buell nicht nur eine Kaufgelegenheit für Patrioten ist, sondern einen weltweiten Erfolg als Sportmaschine feiern kann.

Letztes Jahr konnte ich das Buell-Werk besuchen und hatte auch die Gelegenheit, eine der damals neuen Buells zu testen. Das Werk liegt im kleinen, verträumten Mukwonago, Wisconsin. Wem der Ort Smallville aus den Supermann-Comics ein Begriff ist, hat praktisch Muwonago vor Augen - außer, dass es dort niemanden gibt, der in der Gegend 'runfliegt und eine rote Unterhose über seinem Klamotten trägt. Mit einer Arbeitskraft von fünfzehn Angestellten pendelt die wöchentliche Produktivität zwischen vier und fünf Maschinen. Jedes Motorrad wird von nur einer Person zusammengebaut, die natürlich auch verantwortlich für die Qualität ist. Allerdings kontrollieren die Mitarbeiter auch die Arbeit ihrer Kollegen, um so einen hohen Standard an Qualität zu gewährleisten.



Der Hauptunterschied zwicchen dem neuen und dem alten Modell sind die Federelemente und die Vorderbremse. Die alte Viergang-RS 1200, die ich von Roger Kerwin von H-D Southport bekam, war mit einem Works Suspension Stoßdämpfer, einer 42 mm Marzocchi M1R Gabel mit schwimmend gelagerten Bremsscheiben und zwei vierkolben-Bremssätteln von Performance Machine ausgestattet. Bei der Gabel gab's keinen Grund zur Beanstandung und die PM Bremsanlage funktionierte hervorragend, nur der unter dem Motor montierte Dämpfer war nicht ganz zufriedenstellend. Die neue Fünfgang-RS 1200 benutzt einen einstellbaren White Power Hydraulikdämpfer. Zwar hatte ich nicht genügend Zeit, um mit den Einstellungen herumzuspielen, merkte aber sofort, daß dies eine Verbesserung war, die die RS l200 dringendst brauchte. Die schmucke White Power Roma 4054 Upside-Down Gabel arbeitet sogar besser als die konventionelle, und ohnehin zufriedenstellende, Marzocchi Gabel. Auch die Bremsen funktionierten so gut, dass ich dachte, sie seien kaum verbesserungsfähig. Trotzdem haben der Sechskolben-Bremssattel und die schwimmend gelagerte 320 mm Scheibe aus der sehr schnellen, aber abrupten Verzögerung eine sehr schnelle, kontrollierbare Verzögerung gemacht

Als ich das letzte Mal eine Testfahrt mit einer Buell absolvierte, sagte der Besitzer, daß ich sie so hart fahren könne wie ich mochte, jedoch unter einer Vorraussetzung: "sollte was drankommen, biegst du's wieder hin". An dieser Stelle muss ich zugeben die Grenzen dieser Maschine gesucht zu haben. Alles, was ich auf der Straße beanstanden konnte, waren die Außenkanten der gut haftenden Dunlops 591 und der besagte hintere Dämpfer. Zwar bekam ich von Dave Gess, dem britischen Buell Importeur, keine Einladung zur Testfahrt (wahrscheinlich hat er mir nicht über den Weg getraut), aber immerhin nahm er mich auf eine Spritztour mit, um einen geiegneten Ort für die Aufnahmen zu finden.

Der erfreuliche Effekt der verbesserten Dampfung auf einer bereits vertrauten Maschine vermittelte mir ein noch größeres Gefühl der Sicherheit. Was dem Testfahrer sofort auffällt, ist die kompromißlose Bereitschaft der Maschine, alles zufriedenstellend auszuführen, was man von ihr verlangt. Die Leistung des 1200er Sportster Aggregats ist natürlich nicht mit anderen Motoren der gleichen Hubraurnklasse vergleichbar, doch das extrem breite mittlere Drehzahlband lassen Kurvenfahrten zum reinsten Kinderspiel werden. Man öffnet dezent den Gasgriff und lässt sich einfach von dem starken Drehmoment aus der Kurve tragen, ohne eine Fred Astair-Einlage auf dem Schaltpedal vorzuführen. Das Buell Fahrwerk verlangt nach einem stärkeren Motor, aber aufgrund der Gesetzgebung in den USA dürfen die neuen Bikes ausschließlich mit originalen Aggregaten ausgerüstet werden.



Was mir nicht an der Buell gefiel, war die umklappbare Sitzbank. Sicher, will man einen Passagier an Bord nehmen, ist es eine ideale Lösung, aber es stört die Optik ungemein. Ubrigens nehme ich nicht gerne Passagiere mit, da ich überzeugter Egoist bin. Als ich die Sitzbank der neuen RS 1200 sah, wurde mir klar, dass ich hier nicht der einzige Egoist sein kann, denn die bietet lediglich Platz für eine Person und sieht zudem wahnsinnig gut aus.

Während meiner allzu kurzen Testfahrt um Mukwonago hatte die Maschine einige Probleme mit der Benzinzufuhr. Offensichtliech hatte sich das Ventil im Tankverschluß zugesetzt, und hin und wieder stotterte der Motor vor Durst, was aber durch das kurze Öffnen des Verschlusses schnell wieder behoben war. Als Erik bei meiner Rückkehr davon erfuhr, nahm er sofort den Verschluss auseinander, überprüfte und montierte ihn wieder, bevor er sie einem 20 Meilen-Test unterzog. Ich war beeindruckt.

Obwohl ich die Buell mag, ist mir der Einsatz einiger Details an ihr weiterhin ein Rätsel. Die Schalt- und Bremsrasten sehen ziemlich billig aus und die originalen Harley-Davidson Bedinungselemente beißen sich mit dem Design. Sicher lassen sich diese Teile nach einem kleinem Unfall schnell und preiswert wieder über einen Harley-Händler beziehen. Ob deren Einsatz gerechtfertig ist, bleibt letztendlich eine Geschmackssache. Der Preis: Tja, was soll man dazu sagen? Handgefertigte Maschinen herzustellen ist sicherlich teuer, seien es Buells, Bimotas oder Bi Turbo Maseratis - und die Exkusivitat verlangt bekanntlich auch ihren Obolus. Wer also eine möchte, darf tief in die Tasche greifen.

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Vielen Dank an ZAPPA, der den Artikel gescannt hat.