Anno 1997/98, als DIE Informationsquelle für Mopedfahrer noch d.r.m. hieß (Newsgroup de.rec.motorad), wo undogmatische, politisch nicht immer korrekte Diskussionen zum Thema 'Motorrad' liefen, als Laberheinis, Dumpfbacken und Dabei-sein-Woller noch nix-Ahnung-von-Internet hatten, wurden richtig nette Privattests geschrieben.
Einer davon ist dieser:
So, heute durfte ich eine Buell S1 Lightning fuer eine ganze Stunde
austesten, und ich frage mich nun, wie es mir danach geht.
Ehrlich gesagt, ich bin mir immer noch nicht richtig sicher.
Einerseits bin ich begeistert, andererseits gibt es so viel das ich
aendern moechte, ich weiss nicht wo ich anfangen soll. Der Motor ist
eine Wucht, im buchstaeblichen und woertlichen Sinn. Im Stand
schuettelt er sich ein bisschen, wie eine Katze die gerade hinter
einem Busch einen Vogel erspaeht hat, aber von den kernigen,
Harley-typischen Vibrationen merkt man so gut wie nix - alles viel zu
gut entkoppelt. Man koennte sagen, die Maschine lebt ein bisschen. Die
Cockpitverkleidung wackelt, man fuehlt auch dezente Vibrationen im
Lenker, das ist es aber dann.
Sobald man ein bisschen Gas gibt ist alles aber smooth. Vorsichtig
einkuppeln - oha - ja, da sind wirklich 107Nm bei nur 5500 Touren am
Kevlar-Zahnriemen (wartungsfrei, Lebensdauer 50tkm). Vortrieb ist bei
jeder Drehzahl ueber Standgas im Ueberfluss vorhanden, wie ein
maechtiger Gummiband das man nach Belieben weiter dehnen darf, und bei
jedem Gang wird noch ein Gummiband eingelegt, bis der Begrenzer bei
irgendwo ueber 6000 einsetzt. Und das tut er oft, wenn man zuegig
unterwegs ist - der (ganz extrem geil schoener) Sound ist so brummig
und gesund, dass man sehr leicht bis zum Limit dreht ohne es zu
merken, besonders wenn man kurzhubige 4-Zylinder gewoehnt ist.
Dieser Effekt wird auch noch von den Instrumenten verstaerkt - sehr
kleine Uhren mit hellorangen Zahlen mit haarfeiner schwarzer Umrandung
und orangen Zeigern auf weissem Grund. Besonders gut ablesbar ist das
nicht und auch irgendwo nicht gerade gut im Blickfeld. Aber was
soll's. Hin oder her, man neigt dazu, die Instrumente zu ignorieren
und dann ist man in Nullkommanix am Begrenzer und einige Schritte
naeher zu Flensburg.
Der erste Gang ist wegen den deutschen Geraeuschbestimmungen sehr lang
uebersetzt - kann angeblich ganz leicht geaendert werden. Mit dem
riesigen Drehmoment macht das aber fast nix aus. Im
Stadt-stop-und-go-verkehr bleibt man staendig im Ersten ohne es zu
merken. Gummiband eben. Das Getriebe ist gut und praezise, obwohl die
Schaltwege etwas lang sind und der Hebel fuer einen Sportler etwas
weit weg von der Fussraste - schnell schalten auf einer Buell will
eben gelernt werden, man muss nicht nur schalten sonder auch noch den
Fuss dafuer bewegen. Mag ich nicht. Bei mir muessten auf jeden Fall
sofort ein neuer Schalthebel und ein neuer Bremshebel dran. Leerlauf
finden ist auch ein bisschen knifflich, aber auch nur
Gewoehnungssache.
Das gleiche gilt fuer die Fussbremse - irgendwo unerwartet weit weg,
aber hoppla, erstaunlich wuchtig in der Wirkung, auch ohne zu
blockieren. Eine ganz neue Erfahrung. Auf GooFy ist die Hinterbremse
auch bei blockierendem Hinterrad fast ganz ohne Wirkung, auf der Buell
ist sie ein brachialer Stopper. Spricht fuer viel Gewicht auf dem
Hinterrad, obwohl man das im Handling ueberhaupt nicht merkt,
Lenkerschlagen konnte ich beim besten Willen nicht provozieren.
Mit der Vorderbremse war ich sehr ungluecklich. Die 6-Kolbenzange auf
grosser Einzelscheibe ("kleine ungefederten Massen") wurde durch
extrem hohe Handkraefte entgiftet, wahrscheinlich wegen Angst vor
US-Produkthaftungsgesetzen. Dadurch leidet die Dosierbarkeit aber ganz
extrem und man kann den Druckpunkt nur ganz schlecht fuehlen -
Kurvengeschlaengel mit viel schnellem Wechsel moechte ich damit nicht
bewaeltigen muessen. Auch weil der Hebel fuer mich zu weit weg vom
Lenkergriff und nicht justierbar ist (kann man natuerlich
zurechtbiegen oder einen neuen Hebel montieren). Naja, ich bin durch
GooFy's tolle Nissin-Anlage mit Stahlflexleitungen verwoehnt, aber die
Buell hat Stahlflex als Standard und dass muesste wirklich besser
sein. Vielleicht koennte man die hydraulische Uebersetzung mit einem
anderen Hauptzylinder aendern - dass ich ueberhaupt darueber nachdenke
spricht eher fuer die Maschine.
Irgendwo ist die Sitzposition auch merkwuerdig. Nix halbes und nix
ganzes. Weder Tourenschwuchtel noch Heizer. Trotz der extremen
Handlichkeit der Buell ist der Lenker relativ breit - ich glaube ich
wuerde gucken, ob ich nicht eine Stummelanlage anbauen koennte, und
gleichzeitig die Fussrasten ein paar Zentimeter weiter nach hinten.
Aber, man merke, ich denke immer noch ernsthaft darueber nach.
Ueberhaupt, die Fussrasten. Sind eine Zumutung. Ekelhaft. Sowas hab'
ich noch nie erlebt. Sie sind eigentlich nur ganz kleine, kurze,
metallene Stuemmelchen. Darueber sind grosse, weiche, Etwasse aus
Moosgummi, die ungefaehr ein Drittel laenger als die Rasten sind und
mindestens dreimal so dick. Angeblich um die Motorvibrationen zu
entkoppeln. Mir ist aber wurscht, ob ich Vibrationen in den Fuessen
spuere, solange ich die Maschine mit den Fuessen noch im Griff habe.
Aber diese schwammige Entkoppelung ist furchtbar. Und ausserdem
klappen die Scheissdinger hoch bei jeder Ampel weil man mit den
Stiefeln an dem klebrigen Moosgummi haengenbleibt und sie keine
Fussrastenrueckholfeder haben. 08/15-Rasten kann man latuernich nicht
montieren, weil Harley, aber angeblich will Buell bald Alu-Sportrasten
nachschieben. Offenstichtlich bin ich nicht der einzige, der so denkt.
Aber auf diesen ueberweichen, abfallenden Gummidingern hat man
staendig das Gefuehl, gleich ist man ab. Pfui. Aber irgendwo auch nur
eine Lapaille. Man merke, der Mann denkt immer noch ernsthaft ueber
die Maschine nach.
Und das bringt uns zum Handling. Wie eine Buell handelt, das macht
keine zweite Maschine auf der Welt. Der Rahmen ist bekanntlich
biegsam, aber nur in ganz bestimmten Richtungen, und zwar
offensichtlich den richtigen. Ich schwoere, der Rahmen lenkt in engen
Kurven mit. In Kombination mit diesem Urtrumm von Drehmomentmonster
was als Motor durchgeht ist das eine voellig unnachahmliche Erfahrung.
Irre. Suechtigmachend. Geil. Obergeil. Auch auf nassem Boden saugt
sich die Buell wie mit einer Vakuumpumpe am Asphalt fest, ich ertappe
mich dabei dass ich die Grenzen dessen auslote bei hirnrissigen Slides
mit beiden Raedern und lass es lieber wieder weil ich an die DM5000
Selbstbeteiligung denke, aber bald mach ich's doch schon wieder. Tim,
stopp, bei Fuss! Scheiss drauf. Obergeil.
Kolonne von 10 Autos vor mir. Grmbl. Gas auf, Donnergrollen, 3
Gummibaender nachgelegt. Boing. Vorbei. Begrenzer. Scheiss drauf, eben
noch ein Gang hoeher, noch ein Gummiband nachgelegt. Boing. War das
eine Kurve? Irgendwo ja, ist aber schon vorbei und ich lebe noch.
Irre. Jetzt schuettet's wie aus Eimern und ich fahr' weiter. Ich
rutsche schon wieder aber da ist kein Bewusstsein fuer Unsicherheit
oder Gefahr. Ich hab' voelliges Vertrauen, dass die Buell mich sauber
durch jede Kurve bringt. Das ist gefaehrlich, ich fange an,
aufzupassen. Jetzt kommt die Sonne wieder. In welchem Gang bin ich
eigentlich? Ist voellig egal - Gas auf bis 6000, die Maschine schiesst
schon wieder gierig nach vorne.
Ganz schnell, was mag ich sonst NICHT an diesem Teufelswerk? Nun ja,
irgendwo stimmt die Abstimmung der Federung hinten und vorne nicht.
Keine richtige Daempfung, es stuckert nur so ueber die Unebenheiten,
als ob es auf Block gehen wuerde. Das kann aber nur Abstimmungssache
sein. Der Mitarbeiter aus dem Laden meinte, er wuerde gerne mit der
"maximalen Haerte" fahren. Ist alles abstimmbar, muss man nur mit
spielen. Das Oel in den Daempfern ist bestimmt auch zu dickfluessig
fuer den Winter.
Scheisse. Da bin ich wieder dabei die Maschine zu verteidigen. Dabei
kostet sie, je nach Modell, zwischen 19000 und 23500 Maeuser. Dafuer
bekomme ich z.B. eine R1, eine ZX9 oder eine Blade, und je nach
Maschine auch noch eine 1A neue Lederkombi und einen Helm.
Und nach dem Kauf faengt es erst an. Ein neuer Lenker muss her, die
Fussrastenanlage sowieso, mit den Instrumenten kann man vielleicht
eine Weile leben, mit der Vorderbremse aber nicht. Beim Fahrwerk
muesste man gucken, ob Einstellung genuegt. Und so weiter.
Auf GooFy wieder nach Hause fahren ist alles wieder vertraut. Ich bin
wieder ein Teil der Maschine, diese verlaessliche Praezision, die
super Bremsen, das ist immer wieder eine Wucht. Aber dennoch, so wie
eine Buell um die Kurven faehrt, das schafft wirklich keine andere. Es
ist wirklich etwas ganz eigenes.
Ja, die Buell ist eigen. Sie lebt, sie bebt, sie verfuehrt dich zu
allerlei Unsinn, und sie ist durchaus liebenswert in ihrer
Unperfektion. Nur, daran zu feilen wuerde bestimmt richtig ins Geld
gehen... Die Vorfuhrmaschine steht aber demnaechst mit 6000km drauf
zum Verkauf. Fuer "nur" 19000DM...
Bei Fuss!
Gruessings,
Tim
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